Beat the Bot – oder was man gegen dumpfe Parolen und Hassreden tun kann

Ich hatte eine Diskussion über Bots in den Social Media und wie man damit umgehen sollte. Das war spannend, weil die Technik helfen soll, die Technik zu besiegen. Ich kann das Kalkül verstehen, den Impuls nachvollziehen, den Meinungswandel im fremden Echoraum technisch in den Griff kriegen zu wollen. Ich glaube aber, dass die Gestaltung von Meinungen immer Handarbeit ist. Das geht nicht anders.

PR rulez 

PR macht Meinung. Ich gestalte Wirklichkeiten – das ist mein Jobanspruch. Das mache ich professionell. Natürlich weiß ich, dass gerade auf Facebook und Twitter und anderen Kanälen Inhalte und Botschaften wiederholt werden und dadurch das Gefühl in den Wahrnehmungsgruppen entsteht, die enthaltene Information seien relevant oder sogar wahr. Damit spielen wir in der PR regelmäßig. Wir bauen aber auf Fakten auf. Wir behaupten nicht einfach Dinge, sondern wir leiten her und argumentieren. Das ist mein Job. Und das unterscheidet mich von Storyhoppern oder Werbern, die einen Slogan oder ein Gefühl vermarkten. Das geht auch automatisch. 

Land gewinnen

Seitdem die AfD und andere rechtsgesinnte Genossen uns ihre Agenda aufzwingen und Medien und Politik darauf reinfallen, habe ich einen Weg gesucht, dagegen zu halten. Als PR-Mensch mit Agenturerfahrung liegt es nahe, das über eine Kampagne zu machen. Aber alle Ansätze, mit denen ich zu tun hatte, stockten irgendwann irgendwo und wurden durch irgendwas blockiert. Es war nicht wichtig genug oder bringt kein Geld, das Produkt Demokratie und meine pluralistische Gesellschaft scheint nicht in einem breiten Konsens cool genug zu sein, damit Menschen in der Breite etwas tun. 

Hab ich gelassen. Stattdessen habe ich 2016 genutzt, ganz bewußt auf Facebook in Diskussionen mit Menschen einzusteigen, deren Meinung sich auf Basis anderer oder gar keiner Fakten entwickelt. Ich habe das nicht systematisch gemacht, sondern dort, wo es mir auffiel, versucht, Diskussionen zu kommentieren und eventuell eine andere Sichtweise zu adressieren. In diesem Jahr hat die Bundespolitik versucht, mit Initiativen und Gesetzen und Gesprächen die Plattformbetreiber der Social Media Blase davon zu überzeugen, dass die durchgreifen sollen. 

Aus meiner persönlichen Sicht ist es aber ein Zeichen von Schwäche, Gesetze, die wir nicht durchgesetzt bekommen, zu verschärfen in der Hoffnung, dass sie dann besser wirken würden. Wenn das Schwert stumpf ist, hilft auch eine neue Scheide nicht. 

Und zudem sind wir als Gesellschaft dafür verantwortlich, worüber wir sprechen und welche Themen wir für wichtig halten.

Deshalb habe ich angefangen, mich einzumischen. Auf Facebook. Und Twitter. Das klappt mal nicht, mal gut, manchmal wird es hart, meist nehme ich das als wirkungslos wahr. Das frustriert. Aber ohne zahlenden Kunden ist das ja auch egal. 

Das Gute im Schlechten

Ich habe dabei neue Freunde gewonnen – Menschen, die das auch tun, mit denen zusammen in den meist rechtsnationalen, hyperkonservativen oder rassistisch-dumpfen Diskussionssträngen andere Blasen entstehen, in denen Argumente gespielt werden, die sonst in diesen Strängen nicht auftauchen.

Meine Hoffnung war und ist, dass wir die anderen vielleicht kurz in ihrer Blase irritieren. Und vielleicht damit auslösen, dass die kurz nachdenken, über ihre Meinung, reflektierend nachsinnen oder zumindest nicht einfach nur dagegen sind.

Denn dann erreichen wir etwas. Vernunft entsteht in der Reflexion. Die Distanz zum eigenen Verhalten brauchen wir, um uns den Spiegel vorzuhalten. Und dann können wir uns vielleicht in ein Gegenüber hineinversetzen. Wie gesagt, eine kleine Wirkung. Um mehr geht es nicht. 

Ich dachte immer, das merkt sicher niemand. Dann habe ich überraschend mit einer alten Freundin gesprochen, die mich darauf ansprach, was ich da bei Facebook mache – sie finde das spannend und gut. Merkt also doch jemand. Die Blase ist offen. Wir können vielleicht den Algorithmus knacken, die Gegenseite hacken und werden dann irritierend wahrgenommen. 

Dann bin ich am Ziel – ich säe Anarchie, ich löse das als selbstverständlich angenommene beim Gegenüber auf. Allein dadurch, dass ich sachlich kommentiere, Positionen in Frage stelle und mein Gegenüber mit offenem Visier angehe.   

Technik

In den Social Media ist Aufmerksamkeit und Wahrgenommenwerden alles. Das ist ein sehr philosophischer Ansatz – schon Berkeley geht vom esse est percipi (lat. „Sein ist Wahrgenommenwerden“) aus. Also kann ich nur appellieren, Leute – macht mit. Denn wir bringen die andere Blase nicht zum Platzen, aber vielleicht steigen die einzelnen Blasen nicht mehr alle bis zur Decke, vielleicht platzt eine oder eine andere wird queergetrieben – allein dadruch dass wir da sind, und gegenhalten. 

Macht mit

Mein Ziel ist einfach: wenn mehr mitmachen, liken, posten, kommentieren, dann wird der Widerspruch sichtbarer – irritiert vielleicht oder gibt den verhärteten Rechtsauslegern einen Grund, sich über sich selbst zu vergewissern und dabei noch mal eine andere Position einzunehmen. Dann haben wir was erreicht.

Nach der USA-Wahl haben wir alle erfahren, was wir schon wussten, wir leben auch in technisch produzierten Wohlfühl-Räumen, in die Facebook und Google keine Nachrichten lassen, die unser Wohlfühlen stören. Das kann ich sicher technisch und mit Bots und automatisierter Journalistik versuchen aufzufangen. Ich glaube aber, dass meine Argumente dann am besten sind, wenn ich mich als Person mit ihnen verbinden lasse. Deshalb hilft das Wissen darum, was technisch möglich oder unmöglich ist, nur sehr wenig bei dem, was ich hier versuche.

Ich bleibe bei dem alten Agenturspruch: Es gibt nix Gutes, ausser man tut es – selber. Also hopphopp!

Zuerst erschienen bei wahl.de

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